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Montag, 17. Dezember 2012

Der Hobbit - Eine unerwartete Reise


The Hobbit - An Unexpected Journey
USA 2012
Regie: Peter Jackson
Darsteller: Martin Freeman, Ian McKellen, Richard Armitage, Andy Serkis u.a.

Gandalf ex machina. Man merkt immer wieder, dass die Vorlage ein Kinderbuch ist. Man merkt aber auch, dass die Verfilmung die Kraft hat, aus der Vorlage mehr zu machen. Was im Buch mit Worten der Figuren abgehandelt wird, übersetzt Jackson immer wieder in Bilder - und trifft damit genau die Essenz einer Buchadaption. Natürlich ist der Film zu langgezogen - was man zum Schluss hin weniger stark merkt - natürlich ist der Vorwurf der reinen Geldgier kaum aus dem Hinterkopf zu bekommen. Aber sobald der Film es schafft, eine Behauptung aus dem Buch in eine mitreißende, emotionale Szene umzuwandeln, möchte man ihm seine Ausgedehntheit nun doch nicht übel nehmen. The Hobbit ist öfters ein Paradebeispiel für das Erzählmedium Film, weil er das, was er erzählt, vorwiegend zeigt - in wahrlich großen, überwältigenden Bildern.

Die neue HFR-Technik ist ein Wagnis und lässt Erinnerungen an Camerons Avatar wach werden. Die visuellen Ziele der beiden Werke sind im Grunde gleich: Avatar wollte eine außerirdische Welt so real wie nur möglich wirken lassen (Stichwort Eskapismus - auch in der Story fein aufgegriffen) - The Hobbit eine (bereits bekannte) Fantasywelt (eigentlich DIE Film-Fantasywelt unserer Zeit). Mittelerde war nie so greifbar. Eigentlich war nie eine Filmwelt so greifbar. Was dem einen ein abstoßender TV-Bild-Effekt, ist dem anderen eine visuelle Erfüllung. Feinde von 3D werden mit HFR wohl auch nicht warm, Freunde der Technik sollten eine Sichtung riskieren. Denn: Es ist definitiv ein Fortschritt. Panoramabilder waren noch nie so groß wie in diesem Film. Viele der Einstellungen sind atemberaubend und der Gigantismus der Felsenkraxelei war für mich der größte (im wörtlichen Sinne) Kinomoment seit langem.

Das hat mit Film, mit filmischen Filtern, mit Perspektivenbeschneidung oftmals nichts mehr zu tun, weswegen sich viele vor den Kopf gestoßen fühlen (werden) und ich schätze Jacksons Mut, diese noch so junge Technik einzuführen. Der Clou des Ganzen liegt (womöglich) darin, einen Fantasyfilm in bester Fantasyfilmtradition aussehen zu lassen, als wäre er real. Das ist verwirrend und man kann streiten, inwiefern das sinnvoll ist. Aber es ist ein Versuch und es ist ein Novum. Ich persönlich fand's faszinierend.

Ansonsten: Schöne Kinounterhaltung in großen Gesten und zugleich mit Gefühl für feine Details. Steckbriefangaben wie Kamera, Schnitt, Effekte, Musik, Darsteller und Inszenierung lassen praktisch keine Kritik aufkommen, auch wenn einigen der Humor sicherlich hier und da zu kindisch sein wird - und die Sequenz um Gollum ist genau die Gänsehautperle, die man sich erhofft hat. Neben einer schönen Rückkehr nach Mittelerde bietet der Film aber vor allem - eine neue Kinovision. Keine unstreitbar positive, aber eine mutige und (buchstäblich) große. Gegen Ton- und Farbfilm, DVDs und Blu-Rays und 3D (sowieso) wurde übrigens auch viel gewettert. Manchmal wünsche ich mir mehr Mut zur Zukunft. Für mich, der jeden neuen und gewagten Schritt des Blockbusterkinos begrüßt, auf jeden Fall ein tolles Erlebnis. 


7

Freitag, 14. Dezember 2012

Anna Karenina


Anna Karenina
Großbritannien 2012
Regie: Joe Wright
Darsteller: Keira Knightley, Aaron Taylor-Johnson, Jude Law, Matthew Macfayden u.a.

Im Anfang opulentes, prächtiges Theater, so inszeniert und eingeübt wie die darin porträtierte Gesellschaft: Schöne Kleider, bunte Feste, schneller Szenenwechsel, eine Komposition des schönen Lebens. So reißt der Film seinen Zuschauer in seine beinahe märchengleiche Welt, wo die Kamera schwungvoll von Szenerie zu Szenerie, von Dekoration zu Dekoration gleitet, während sich die Welt mit den Schritten der Protagonisten entfaltet. Nur das pechschwarze Gesicht eines Arbeiters lässt vermuten, was hinter den Kulissen passieren mag - und ein blutiger Unfall zeigt, dass das Stück doch im Leben stattfindet. Dann macht sich Anna auf eine schmerzhafte Reise, wenn das Spot(t)licht der Gesellschaft ihr den Weg in die Finsternis und die Verzweiflung weist. Irgendwann wirkt der Film quälend langsam, quälend zerrissen und man sehnt sich nach dem Elan des Anfangs. Aber das ist kein Schwachpunkt, sondern nur die logische Konsequenz: Am Ende sind wir aus der Bühnenillusion eines Lebens in dessen Off angekommen - ein Weg aus der Überinszenierung in die Realität, gleich dem Wege Annas. Somit ist Anna Karenina nicht bloß ein sehr schön, sondern auch ein sehr intelligent inszeniertes Werk. Und nachdem der Zug des Lebens den Traum überholt hat, erscheint eine mögliche Erlösung in den goldfarbenen ländlichen Feldern, wo man das Leben lebt, anstatt es zu spielen - ganz im Sinne Tolstois. Die tolle Besetzung tut ihr Übriges für den Kinogenuss: Knightley passt bereits optisch perfekt in das Liebesmärtyrium, Law überzeugt mit gequälter Beherrschung und Macfayden ist vielleicht der beste Russe, den ein Nichtrusse jemals gespielt hat. 

7