Frankreich/Deutschland 1981
Regie: Andrzej Zulawski
Darsteller: Isabella Adjani, Sam Neill, Heinz Bennet u.a. 
Ein Chaos, eine Ekstase, ein Höllenritt. Es schwer, die richtigen 
Worte und Begriffe für Possession zu finden, weil er alle Begriffe in 
sich vereint und sich zugleich von allen entfernt. Es gibt kaum einen 
zweiten Film, der sich so viel Mühe macht, sich dem Zuschauer als 
hyperauthentisch und greifbar zu präsentieren, nur um ihn danach im 
Minutentakt vor den Kopf zu stoßen. Nachvollziehbare Situationen werden 
mit unheimlicher emotionaler Präzision aufgebaut und von einer Sekunde 
auf die andere zu (scheinbar!) völlig unverhältnismäßigem Wahn 
aufgebläht, die Darsteller agieren so menschlich wie nur möglich und 
mutieren fast schon zu oft zu personifizierten Schmerzorgasmen, und die 
Kamera fügt sich vollends deren entfesseltem Todestanz (wobei selbst sie
 manchmal das macht, woraus sie Lust hat). Possession fügt sich keinen
 Konventionen, weder in Schauspielerei noch in Tempo noch in Genre, 
vielleicht, weil er das nicht will, vielleicht auch, weil er das 
schlichtweg nicht kann. Auf den ersten Blick gerät alles außer 
Kontrolle, doch Zulawski hat durchgehend alle Fäden in der Hand, was man
 spätestens bei einer wiederholten Sichtung merkt: Possession ist kein
 Sammelsurium an ekstatischer Emotionalität, es ist eine Kettenreaktion,
 bei der jedem Ausraster ein würdiger Auslöser zugrunde liegt und ein 
jeder solcher den nächsten auslöst. 
Mit seiner schonungslos intensiven und im Laufe der Zeit stets 
grotesker werdenden Darstellung des Konfliktes zwischen Mann und Frau 
wirft der Film einen Schatten bis in die letzte Filmdekade - die 
Vergleichswerke wären unter anderem von Triers Antichrist und Noés Irreversibel. Allen drei Filmen liegt der männliche Drang nach dem 
Beherrschen der Partnerin zugrunde und alle drei lassen diesen zur 
absoluten Zerstörung eskalieren. Possession ist definitiv der wildeste
 der drei: Antichrist bietet zumindestens der Vernunft - so beschränkt
 diese auch dargestellt werden mag - etwas Platz und Irreversibel 
trennt zwischen einem aggressiven Täter und einem passiven Opfer, 
Zulawskis Werk dagegen zeigt eine von Beginn an völlig dysfunktionale 
Situation, in welcher keiner der direkt Beteiligten mit sauberen Händen 
aus dem Spiel kommt. Es mag einem vorkommen, dass die Darsteller oft 
genug gelobt wurden, tatsächlich kann man sie gar nicht genug loben - es
 hat kein Darsteller vor und keiner nach Sam Neill so hasserfüllt 
begehrt und so genussvoll seinen eigenen geistigen Zerfall begriffen. 
Auch Heinz Bennent isr fernab jeglicher Kritik: Seine zunächst relativ 
beherrschte, später nicht mehr beherrschbare Transzendenzsexualität ist 
theatralisch überzogen und dennoch (oder gerade deshalb) höchst 
organisch in das Gesamtgeflecht von Possession integriert. Und doch 
ist es ein offenes Geheimnis, dass Isabella Adjani die eigentliche 
Darstellerikone dieses Werkes ist. Man erzählt, Zulawski habe ihr bei 
der berühmt-berüchtigten Unterführungsszene als einzige Regieanweisung 
gesagt, sie solle die Luft ficken. Zusammen mit dem Bewusstsein des 
Zuschauers ergäbe das dann wohl den memorabelsten Dreier der 
Filmgeschichte. 
Es ist bemerkenswert, wie der Film sich in seinem überbrodelnden Wahnsinn immer wieder selbst zu übertreffen vermag - es dauert keine Viertelstunde, bis die (eigentlich nur angedeutete) Fassade bricht, anschließend wird ein regelrechter Krieg mit dessen Bruchstücken geführt, welcher auf der psychischen wie auch der physischen Ebene keine Gewinner zulässt. Wenn das Genre später zum absurden Horrorthriller wechselt, dann ist das kein Stilbruch, sondern viel eher die logische Konsequenz der emotionalen Zustände der Protagonisten - es ist nicht "a woman fucking an octopus", wie Zulawski seinen Film dem Verleiher schmackhaft machen wollte, es ist eher "a human mind fucking itself". Und den Zuschauer mit dazu. Das Finale, dieser blutspuckende Showdown beim Aufstieg in die Hölle (oder dem Abstieg in den Himmel), voller Symbolik und mit einem Mindfuck-Gag versehen (zu einer Zeit, als Mindfuck noch kein Genre war), über welchen man jahrelang ergebnislos rätseln könnte, ist eine wahrhaftig perfekte Pointe: Emotional findet alles einen logischen Abschluss, storytechnisch macht alles noch weniger Sinn als zuvor. Das Herz pocht, das Gehirn zieht den Stecker. Es gibt eine Erlösung, es gibt keine Erlösung. Und trotz der bis dahin immer wieder großartigen Musik gibt es bei den Schlusscredits keine - nur den Soundtrack der Apokalypse, die blinkenden Licher und eine Silhouette hinter dem Glas. Und auch nach all den Worten ist fast nichts gesagt. Ein wahres Filmmonster.



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