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Sonntag, 9. September 2012

God Bless America


God Bless America
USA 2011
Regie: Bobcat Goldthwait
Darsteller: Joel Murray, Melinda Page Hamilton


Das große Problem von God Bless America ist, dass der Film augenscheinlich eine Satire sein möchte. Dabei übersieht Goldthwait aber leider, dass voller Hass geäußerste Kritik und permanente Übertreibung noch lange keine Satire machen - höchstens eine schlechte Posse. Die Ausgangslage ist simpel und zielt auf den Beißreflex des Bildungsbürgers, der von der allseitigen "Dummheit" der Welt (hier: Amerika) bis aufs Äußerste genervt ist, ab: Unser Protagonist hat nervig laute und völlig respektlose Nachbarn, in seinem TV-Gerät läuft nur niveauloser Mist, seine Tochter lebt bei der geschiedenen Mutter und wächst als völlig arrogant und verwöhnt auf, er wird gefeuert, weil er einer Kollegin Blumen geschickt hat (das ist eine wirklich gute Szene, aber leider die einzige gute im ganzen Film), und anschließend wird bei ihm ein Hirntumor festgestellt, an dem er bald sterben soll. Er möchte Selbstmord begehen, lässt dabei aber das TV laufen und kommt beim Schauen einer Realityshow um eine verwöhnte 16-jährige auf die Idee, doch besser erst dieses in seinen Augen lebensunwerte Geschöpf zu töten. Gesagt, getan, er spürt das Mädchen auf und tötet sie, wird aber dabei von einem anderen Mädel, Roxy, beobachtet, die seine Tat super findet und ihn später aufsucht. Als er ihr erklärt, dass er Selbstmord begehen möchte, möchte sie zuschauen, was er ihr auch erlaubt (an dieser Stelle ein großes WTF?!), aber bei der Unterhaltung stellen sie fest, dass es ja noch mehr Menschen gibt, die man eigentlich töten könnte und sollte. Roxy erzählt, dass sie aus einer Drogensüchtigenfamilie kommt und permanent von ihrem Bruder vergewaltigt wird, also lässt Frank, der Protagonist, sie mit sich ziehen. Fortan fahren sie durch die USA und bringen Leute um, die ihnen als zu rüde erscheinen oder die im TV in dämlichen Shows auftreten.

Was der Film hier macht, ist klar: Er präsentiert uns unsere liebsten Feindbilder (dumme Politiker, verwöhnte Möchtegernstars etc.), nimmt einen wütenden Opferprotagonisten und lässt ihn den Anti-American-Dream in brutalster Form durchleben. Alle freuen sich: Hurra, endlich sterben all die Menschen, die so blöd und asozial sind, dass sie eigentlich kein Leben verdient haben! Praktisch ein Selbstjustizspaß auf kultureller Ebene. Nur: Worin unterscheidet sich der Film von bsp. den TV-Sendungen, die er kritisiert? Diese schauen Menschen (womöglich), weil sie sich an deren Niveaulosigkeit aufgeilen - einen Film wie God Bless America schauen sich die Leute an, welche sich praktisch an der Rache an dieser Niveaulosigkeit aufgeilen. "We should only kill people who deserve to die." stellt klar, was der Film soweit ist: Eine reine Gewaltphantasie eines wütenden Komikers, der gerne seine Hassobjekte tot sehen würde. Merke: Man löst kein Problem, indem man Menschen erschießt. Auch nicht gedanklich.

Nun fehlt dem Film eigentlich gar nicht viel, um gut zu werden! Man denke nur an den Satireklassiker Network: Auch hier wird Kritik am System geübt, laustark und wütend (nur eben in Worten), aber der Clou ist - diese Kritik wird Teil des Systems. Kritik an dummen Fernsehshows ist letzten Endes nichts anderes, als eine weitere Fernsehshow mit superber Einschaltquote. Und, wie bereits erwähnt: Auch God Bless America bedient letzten Endes nur dieses System der Befriedigung der Zuschauerinstinkte. Die einen sehen gerne, wie junge Frauen sich mit Tampons bewerfen, die anderen sehen gerne, wie ein armer Bildungsbürger solche jungen Frauen hinrichtet. Nun müsste God Bless America nur zeigen, oder andeuten, dass das Verhalten von Frank auch nur eine solche Wichsvorlage ist. Aber das passiert nicht. Nach den paar ersten Morden könnte der Film beginnen, seine Figuren zu hinterfragen, aber das tut er nicht. So völlig psychopathisch das Verhalten von Roxy ist, sie wirkt nie wie eine Psychopathin, sie ist erstaunlich rational und beweist zudem in einem widerlichen Geschmacksrassismusdialog, dass sie ja gar nicht auf all die modernen Sachen wie Green Day oder Graphic Novels steht, sondern viel lieber Alice Cooper mag, was ihr viel Sympathie bei Frank einbringt. Die Szene erinnert an diese furchtbare 9GAG-Mentalität "neue Musik ist Schrott und wer die hört ist dämlich, nur ein paar alte Bands sind super, also vergöttern wir diese und fühlen uns intelligent".

Natürlich ist die Zeitgeistkritik nicht unbedingt unberechtigt. Aber was zeigt uns Goldthwait als Gegenentwurf? Er verbreitet nur noch mehr Hass auf die schlechten Seiten unserer Zeit und macht sich einen Spaß daraus, diese zu eliminieren. God Bless America möchte auf ein Problem hinweisen, auf welches man gar nicht hinzuweisen braucht, weil es absolut offensichtlich ist, und ist leider zu beschränkt, um Lösungsvorschläge anzubieten. Die Art und Weise, wie er das Problem theoretisch mit Gewalt angeht, befindet sich auf demselben Niveau wie das von ihm Kritisierte: Wo gebasht wird, wird zurückgebasht. Das mag manch einem amüsant erscheinen, ist aber im Kern furchtbar kindisch und unangenehm verroht. Wäre das Ganze ein 10-Minuten-Video von einem Sechszehnjährigen, wäre es witzig. Als 100-Minuten-Film von einem Erwachsenen ist es besorgniserregend.

Zudem: So möchtegern-kontrovers sich der Film gibt, so schnell zieht er seinen Schwanz ein, als es tatsächlich riskant wird. Jegliche sexuelle Spannung zwischen Frank und Roxy wird im Keim erstickt, als hätte der Macher Angst, sich irgendwo die Finger zu verbrennen. Da ist der durchaus vergleichbare Super meilenweit besser, indem er den Wahnsinn seine weiblichen Protagonistin zugibt und auch begründet. Roxy dagegen ist eine unheimlich schwache Figur, eine Wunschprojektion von einem jungen Mädel mit einem "guten Geschmack" und viel Hass auf die ach so blöde Welt. Frank ist ebenso ein völlig inplausibler Charakter, was schon in der Anfangsszene klar wird: Wieso schaltet er nicht einfach den Fernseher aus, wenn ihn das Programm anwidert? Wieso besorgt er sich keine Ohrstöpsel, wenn ihm seine Nachbarn zu laut sind? Aber der Film ist nicht an Lösungen interessiert, ihn interessiert nur seine zur Schau gestellte Zerstörung als reine Gelüstbefriedigung.

ACHTUNG, SPOILER!

Natürlich, das soll alles eine übertriebene Satire sein. Aber: Reine Kritik macht noch keine Satire. Satire funktioniert über Hinterfragung, über Subversion. Davon merkt man in God Bless Amerika leider nicht viel. Ein paar fiese Wendungen zum Schluss und das Werk wäre bemerkenswert, aber leider fällt Goldthwait nicht mehr ein, als ein paar klischeebeladene Wendungen einzubauen und am Schluss (immerhin!) darauf hinzuweisen, dass Frank sich bei seiner letzten Aktion für die Ehre von jemanden einsetzt, der diese Ehre längst abgelegt hat. Die Schlussfolgerung, die man daraus ziehen kann, ist, dass sein gesamtes Verhalten völlig sinnlos ist. Nicht falsch, nicht destruktiv, nur sinnlos. Wahrscheinlich soll uns das traurig machen. Mich macht es ehrlich gesagt nur sauer. Was für ein ausgesprochen blöder, arroganter, selbstverliebter Film.

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